DIE RHEINPFALZ: Weinberg-Boden als Klimaschützer
Auch im Weinbau fällt klimaschädliches CO2 an: Durch die Fahrten mit dem Traktor etwa oder beim Versand der Flaschen. Doch die Weinberge können als CO2-Speicher fungieren. Das Bad Dürkheimer Weingut Karl Schaefer hat beide Effekte berechnen lassen. Das Ergebnis überrascht.
Die 18,5 Hektar Land, auf denen die Reben des Dürkheimer Weinguts Schaefer stehen, sind für Betriebsleiter Johann Seibt und seine Mannschaft ein kostbares Gut. „Der Boden gibt den Takt vor, wir müssen nur auf ihn hören“, sagt Seibt. Was leicht esoterisch klingt, hat für den Winzer einen handfesten geschäftlichen Hintergrund: „Der Boden ist unser Kapital. Wenn die Reben vital und gut versorgt sind, dann wirkt sich das positiv auf den Geschmack des Weins aus. Und darum geht es: Schließlich wollen wir ja Wein verkaufen“, ist der Betriebsleiter überzeugt.
Humus als Kohlenstoff-Speicher
Entscheidend für die Qualität des Bodens sind die ersten 30 bis 40 Zentimeter. Darin spielt sich das Leben ab. Jeden Tag werden abgestorbene Baum- und Pflanzenteile, tote Tiere, Pilze und Bakterien dort in ihre Bestandteile zerlegt. Diese tote organische Substanz des Bodens wird Humus genannt. Für den Abbau verantwortlich sind unzählige Bodenorganismen. Die bekanntesten sind Regenwürmer. Den größten Anteil haben aber sehr viel kleinere Bodenbewohner wie Fadenwürmer, Pilze, Bakterien und Einzeller.
Die Humusschicht bindet Nährstoffe und dient als Wasserspeicher. Doch sie hat noch einen anderen Effekt: Humus kann größere Mengen an CO2 längerfristig im Boden speichern. Je höher der Humusgehalt des Bodens, desto mehr Kohlenstoff wird gebunden. Allerdings muss der Humusgehalt konstant gehalten oder erhöht werden, sonst wird das Treibhausgas wieder freigesetzt. Außerdem muss der Boden entsprechend bewirtschaftet werden.
Bereits vor einigen Jahren habe man sich gefragt, wie Wein und Pflanzengesundheit verbessert und gleichzeitig etwas für den Klimaschutz getan werden könne, erzählt Job von Nell, Geschäftsführer des Weinguts Schaefer. Die Antwort für die Dürkheimer: Den Humusaufbau fördern. „Es ging damit los, dass wir gerodete Weinberge drei Jahre haben brach liegen lassen, dass sich der Boden erholen kann“, berichtet Seibt. Derzeit betrifft das etwa 2,5 Hektar der Weinbergfläche.
Walzen bei Hitze
Dazu legt die Mannschaft um Außenbetriebsleiter Jan Eilers viel Wert auf Begrünung zwischen den Rebzeilen. Um die Saat für das Grün in den Weinbergen auszubringen, wird der Boden im Herbst oder Frühjahr nur minimal geöffnet. Auf fetten Böden wie in der Lage Wachenheimer Gerümpel pflanze man Ölrettich, Klee oder Leguminosen, auf Böden mit hohem Kalkanteil Mohn oder Phacelia. „Wir haben eine Dauerbegrünung, da wird nichts gewendet und nichts aufgemacht“, sagt Außenbetriebsleiter Eilers. Wenn es das Wetter – etwa bei einer drohenden Hitzewelle – erforderlich macht, werde zwischen den Zeilen gewalzt.
Beim Pflanzenschutz geht das Bio-Weingut sorgsam vor, um den Mikroorganismen im Boden möglichst wenig zu schaden. Ohne Kupfer oder Schwefel kommt aber auch Seibt nicht aus. Entscheidend sei, die Mittel zum richtigen Zeitpunkt auszubringen, auch um unnötige Traktorfahrten und damit eine Verdichtung des Bodens zu vermeiden.
Wie sich diese Anstrengungen auf die Humusschicht und letztlich auf die CO2-Speicherung auswirken, hat das Weingut durch das auf Nachhaltigkeit spezialisierte Unternehmen Arqum berechnen lassen. Das Fazit der Experten, die Firmen, Kommunen und Regierungsstellen beraten: „Das Weingut Karl Schaefer trägt dank seiner nachhaltigen Bodenbewirtschaftung zum Aufbau natürlicher Kohlenstoffsenken bei.“ In Zahlen ausgedrückt: Der Bad Dürkheimer VDP-Betrieb stößt im Jahr laut seiner ebenfalls von Arqum erstellten Treibhausgasbilanz zwar rund 56 Tonnen CO2 aus. Die meisten Emissionen entstehen beim Transport, insbesondere durch den Versand der Weinflaschen.
Trüffelbäume im Wingert
Im Gegenzug speichern die Schaefer-Böden zwischen Forster Pechstein und Dürkheimer Hochbenn nach Arqum-Berechnungen durch Humusaufbau knapp 178 Tonnen CO2 im Jahr. Je nach Weinlage hat die Humusschicht in den vergangenen neun Jahren zwischen 0,5 und 1,2 Prozent zugenommen. „Rechnerisch führt das dazu, dass wir weniger CO2 ausstoßen als unsere Böden durch Humusaufbau binden“, erklärt von Nell.
Klimaneutral darf sich der Betrieb aber trotzdem nicht nennen. „Wenn das Weingut jetzt CO2-Zertifikate in Costa Rica gekauft hätte, um die Emissionen auszugleichen, wäre das anders“, erklärt Arqum-Geschäftsführer Jörn Peter. Es sei nicht selbstverständlich, dass landwirtschaftliche Böden automatisch als CO2-Senken fungieren. „Da registrieren wir eher einen Trend zum Humusschwund“, sagt Peter, der erstmals ein Weingut untersucht hat.
Beim Weingut Schaefer denkt man schon an die nächsten Schritte: Um den CO2-Ausstoß zu reduzieren, soll der Versand nachhaltiger werden. Außerdem überlegt Seibt, junge Reben im Herbst statt im Frühjahr zu setzen, um mit weniger oder gar ohne Bewässerung auszukommen. Um die Qualität des Bodens zu prüfen, hat das Weingut außerdem sieben Trüffelbäume im Weinberg gepflanzt: „Ich sage natürlich nicht, wo sie stehen. Aber wo Trüffel wachsen, kann der Boden nicht schlecht sein“, erklärt Seibt.
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