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Bodenleben: Bedeutung für Klima und Ernährung

Bodenleben: Bedeutung für Klima und Ernährung

Gemeinsam mit seiner Frau Nana bewirtschaftet Dr. Job von Nell das VDP Bio-Weingut Karl Schaefer in Bad Dürkheim und einen 750 Hektar großen forstwirtschaftlichen Betrieb im Hunsrück. Dort befindet sich auf 3,3 Hektar die größte Trüffelanlage in ganz Rheinland-Pfalz. Mit Franziska Strasoldo-Graffem- berg hat er darüber gesprochen, was er dafür tut, um auf seinen Betrieben gesunde Böden zu erhalten und die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen.

 

Was bedeutet Boden für Dich?
Boden ist nicht nur etwas, das man betritt, befährt und auf dem Pflanzen Halt finden. Boden ist das Zuhause des Mikrobioms der Pflanzen. Pflanzen existieren, weil sie einen Teil des durch den Photosyntheseprozess produzierten Zuckers, der durch Wasser und CO2 entsteht, in Form von Exsudaten an das Bodenleben abgeben. Diese Exsudate werden vom Bodenleben aufgenommen. Interessant dabei ist, dass die Exsudate einer bestimmten Pflanze auch ein Umfeld schaffen, das die Pflanze sich „wünscht“. Als Gegenleistung für die Ernährung der Mikroorganismen im Boden werden diese aktiv und versorgen die Pflanze mit allen notwendigen Nährstoffen.

Wie unsere Darmflora?
Ja, das ist ein guter Vergleich. Wie funktioniert unser eigener Körper? Die Mikroorganismen in unserer Darm- und Mundflora halten uns am Leben. Das gilt auch für andere Bereiche des Körpers, nicht nur für die der Ernährung.

Bei Pflanzen ist es ähnlich: Sie haben zwar keinen Superorganismus wie wir, bilden ihn aber durch Symbiosen mit dem Bodenleben. Der Boden hält die Lebensgrundlage für alle Pflanzen und Tiere bereit – und ganz am Ende der Nahrungskette stehen wir. Was bedeutet das für uns, wie sollten wir mit unserem Boden umgehen, welche Auswirkungen haben bestimmte Maßnahmen und chemische Verbindungen auf das Bodenleben?

Boden gut machen bedeutet auch, das Wasser mit einzubeziehen.
Für das Leben im Boden ist Wasser unerlässlich. Die Mikroorganismen, seien es Pilze, Bakterien oder Regenwürmer, setzen alles daran, den Boden für sich selbst zu optimieren. Sie scheiden  beispielsweise Zuckerverbindungen aus, die die Bodenpartikel, mineralische sowie organische, verkleben und damit sogenannte Bodenaggregate schaffen. Diese nehmen wir als Krümel wahr. Der Boden ist erst durch diese Verkrümelung in der Lage, in großen Mengen Wasser aufzunehmen und zu speichern. Um diesen Effekt zu erzielen, sollte der Boden ständig durchwurzelt und immer bedeckt sein.

Und der hält dann auch gegen Erosion besser stand, oder?
Exakt. Im Gegensatz dazu verlieren unbewachsene Böden bei der Bearbeitung und in der Brache große Mengen Feinerde, das nehmen wir als Staubfahne wahr.Das ist ein Zeichen mangelnder Bodenverklebung und mangelnden Bodenlebens und zugleich eines unserer großen Probleme: Wir haben nicht das Bodenleben in dem Ausmaß, wie wir es benötigen, um über das gesamte Jahr hinweg stabile Bodenverhältnisse zu gewährleisten.

Was sind die Ursachen dafür, dass wir das nicht haben?
Dafür gibt es zwei Hauptgründe: In der Landwirtschaft gibt es einige Maßnahmen, die die Bodenstruktur stören, wie beispielsweise die Bodenbearbeitung, die zum Beispiel zu Bodenverdichtung oder zum Umwälzen des Bodens führt. Letzteres bedeutet, dass das anaerob lebende Bodenleben plötzlich mit aeroben Bedingungen konfrontiert wird und umgekehrt. Der flächendeckende Ein- satz von Pflanzenschutzmitteln und minerali- schen Düngern ist für das Bodenleben gleicherma- ßen nicht förderlich. Hier muss das Prinzip: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ gelten. Zu- dem ist die Landwirtschaft immer noch von eher monokulturellen Strukturen geprägt, die für das Bodenleben gleichermaßen nicht förderlich sind. In der aktuellen Diskussion sprechen wir deshalb über verschiedene Ansätze, um das zu durchbrechen: eine höhere Vielfalt bei den Nutzpflanzen und in der Fruchtfolge, Agroforstsys- teme, alternative ganzheitliche Weidesysteme (mob grazing), das Einbringen von Baumreihen in landwirtschaftliche Strukturen sowie das Anpflanzen von Hecken zur Windabwehr.

Ebenso wichtig ist es, den Boden so lange wie möglich „grün“ zu halten. Wenn man durch ein Feld geht, das kurz vor der Ernte steht und auf dem das Getreide sich im Abreifeprozess befindet, passiert in der Pflanze selbst nichts mehr. Es finden in diesem Stadium keine Photosyntheseprozesse mehr statt, folglich wird der Boden nicht mehr durch Exsudate ernährt. Wenn man diesen Boden betrachtet, sieht man sandige Strukturen in den oberen Schichten, weil das Bodenleben nicht mehr aktiv ist. Dadurch kann nach der Ernte der Humus leicht abgetragen werden, insbesondere bei starkem Regen oder Wind. In Amerika zeigte sich dieses Phänomen extrem in den berühmten Dust Bowls der 30er Jahre.

Aktuell sprechen wir weltweit über Humusverluste in der Größenordnung eines Landes wie England – etwa 10 Millionen Hektar pro Jahr, natürlich auch bedingt durch Umnutzungen. Es gibt eine Aussage der FAO aus 2015, dem Internationalen Jahr des Bodens, in der es heißt, dasswir weltweit noch 60 Ernten haben, wenn dieser Prozess nicht aufgehalten wird. Neben den Umweltbelastungen tun wir uns also selbst auch keinen Gefallen, wenn wir das Bodenleben vernachlässigen. Es ist von großer Bedeutung für die Pflanzengesundheit und am Ende auch für die Nährstoffdichte in den Früchten, also im Getreidekorn oder im Apfel.

Natur ist für mich schon dann gewährleistet, wenn wir ein höchstmögliches Bodenleben sicherstellen können. Was ist ein objektiver Maßstab, um festzustellen, dass „Bodenlebendschonend“ gearbeitet wurde? In Amerika gibt es beispielsweise den Ansatz der Bionutrient Food Assoziation. Eine Gruppe von regenerativ denkenden Landwirten hat sich die Frage gestellt, wie man den Verbraucher dazu bringen kann, Landwirte zu unterstützen, die auf ein gesundes Bodenleben mit im Ergebnis hoher Nährstoffdichte achten. Der Denkansatz ist hier, dass Nährstoffdichte von der Bewirtschaftungsform abhängig ist. Je höher und vielfältiger das Bodenleben, desto nährstoffdichter die erzeugte Frucht. Hier wird nicht nach Bio- oder anderen Labels geschaut, sondern nach einem objektiven Maßstab. Es wird an der Entwicklung eines sogenannten Bionutrient-Meters gearbeitet, mit dem die Nährstoffdichte gemessen werden kann, und zwar nicht umständlich mit dem Refraktometer, sondern ganz einfach mit einem Handy und einer Nadel.

Sobald ein solcher Denkansatz Marktreife hat, lässt sich der Wert unserer Lebensmittel ganz anders definieren: der Verbraucher kann dann ich Echtzeit Informationen über die Nährstoffdichte eines Produktes mit hinterlegten Daten abgleichen und Produkte auch besser vergleichen. Das wird preisbildend werden und eine völlig andere Nachfrage generieren.

Du hast vorhin kurz die „Regenerative Landwirtschaft“ angesprochen. Könntest du das noch einmal erklären?
Regenerative Landwirtschaft bedeutet, die Wiederherstellung des lebend verbauten Kohlenstoffs, die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten und zu erhöhen. Das bedeutet die maximale Unterstützung des Bodenlebens und maximaler Humusaufbau aus atmosphärischem Klimagas. Es geht darum, fruchtbaren Boden wiederherzustellen, der letztendlich Pflanzen ernähren, Wasser aufnehmen und speichern kann. Eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe, mit der die Landwirtinnen und Landwirte nicht allein gelassen werden sollten. Wir können nicht von ihnen erwarten, die Welt quasi im Alleingang zu retten. Es bedarf einer kompletten regenerativen Wertschöpfungskette!

Das beschränkt sich nicht nur auf biologische Landwirtschaft, sondern geht über konventionell und biologisch hinaus?
Das Bodenleben ist weniger erforscht als unser Weltall. Die Wechselwirkungen in einem Stoffwechselkomplex sind unglaublich diffizil. Deshalb kann man nicht sagen, dass das Drehen an einer bestimmten Stellschraube automatisch zu einem bestimmten Ergebnis führen wird. Wer will, kann sich den Prozess, soweit bekannt, ein mal unter dem Begriff des „biochemical pathways“ ansehen.

Regenerative Landwirtschaft braucht also unabhängig davon, ob wir aus der konventionellen oder biologischen Landwirtschaft kommen, einen Austausch von Informationen, um erfolgreich arbeiten zu können. Es bedeutet, sich intensiv mit dem Boden zu beschäftigen, Bodenanalysen durchzuführen, aber auch selbst durch das Mikroskop zu schauen und zu verstehen, wie das Bodenleben aussieht, welche Struktur es hat, ob z.B. eine pilz- oder bakteriendominante Struktur vorliegt – all das kann man sehen oder sich zeigen lassen.

Ich glaube, der Druck aus dem Klimabereich spielt eine Rolle, um zukünftig bodenschonender zu arbeiten. Umso mehr es gelingt, nährstoffreiche Lebensmittel zu produzieren, umso wahrscheinlicher wurde vorher alles richtig gemacht, sprich, die richtigen landwirtschaftlichen Maßnahmen umgesetzt. Und wenn das der Fall ist, wurde auch alles getan, um der Umwelt zu helfen. Humusaufbau findet nämlich aus der Umwandlung von CO2 in Kohlenstoff statt. Indem ich CO2 im Boden binde, halte ich auch Wasser im Boden und erreiche durch mein „Grün“ auch einen vertikalen Abkühlungseffekt.

Die NASA veröffentlicht auf ihrer Website regelmäßig neue Informationen zum Klimawandel. In einer kurzen Dokumentation über die Entwicklung der CO2-Dichte im Jahresverlauf in der nördlichen Hemisphäre unserer Welt ist zu sehen, dass während der biologisch aktiven Phase unserer Pflanzen das gebildete CO2 aus der Atmosphäre gebunden wird.

Und im Winter wird es dann wieder freigesetzt?
Unter Umständen ja, wenn es nicht im Boden gehalten wird. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, besteht darin, die Flächen grün zu halten. Es gibt die Meinung, dass wir die Gigatonnen an überschüssigem CO2 durch die biologische Aktivität unserer Pflanzen auf der Erde gut abbauen können. In vielen Bereichen müssen wir unsere Aktivitäten überdenken und uns eine Frist setzen, um Maßnahmen zu evaluieren. Dabei müssen wir von der simplen Frage „Wie geht es meinem Boden wirklich?“ leiten lassen. Innerhalb einer Perspektive von etwa 5-10 Jahren sollten wir versuchen, mit naturnahen Bewirtschaftungsmethoden die Pflanzengesundheit, aber auch die Nährstoffdichte für nährstoffreiche Nahrung, zu erhöhen. In unserem eigenen Obstgarten können wir sehr gut beobachten, ob Pflanzen gesund sind. Wenn die Blätter ein dunkles Grün annehmen, eine Lipidschicht bilden und ätherische Öle produzieren, zeigt es uns, dass die Pflanze vor Gesundheit strotzt und ihr nichts passieren wird.

Die Pflanze produziert also ihren eigenen Pflanzenschutz, die ätherischen Öle wirken abschreckend auf Schädlinge?
Genau, gesunde Pflanzen sind für Schädlinge nicht mehr zu erreichen. Wir müssen, um den Vergleich mit unserem eigenen Leben zu ziehen, dort, wo es möglich ist, auf die Abwehrkräfte unseres eigenen Körpers setzen, und uns vielleicht mit homöopathischen Mitteln oder anderen „Hausmitteln“ stärken. Aber in dem Moment, wo es uns richtig erwischt, müssen wir auch die Möglichkeit haben, einzugreifen. Wenn stabile Strukturen geschaffen worden sind, setze ich Pflanzenschutz dort ein, wo es notwendig ist. Nicht präventiv über die gesamte Fläche in bestimmten Rhythmen – das wäre so, als würde man dauerhaft Antibiotika einnehmen.

Wie ist es mit dem Düngen?
Es ist tatsächlich so, dass zum Beispiel Pilze Steine auflösen und als Mineralquellen nutzen können, aber sie kommen selbst nicht an Sonnenlicht als Energiequelle. Sie benötigen die Pflanze, die sie über den Photosyntheseprozess ernährt. Die Pflanze wiederum benötigt auch die Unterstützung aus dem Bodenleben. Wenn wir mit mineralischem Dünger arbeiten, mit dem wir Pflanzenwachstum generieren können, machen wir die Pflanze „faul“. Der Dünger wird im Wurzelbereich der Pflanze gerne aufgenommen, die Pflanze wächst und gedeiht, gibt aber keine oder weniger Exsudate mehr ab, das Bodenleben verarmt. Die Pflanze bekommt dann nur die Nährstoffe, die wir von außen zufügen, aber nicht das, was theoretisch im Boden verfügbar ist. Da, wo die Wurzeln nicht sind, gehen diese Dünger ungefiltert ins Grundwasser. Wenn wir Pflanzenwachstum extern stimulieren, wird die Pflanze maximal mit der Menge an Energie gefördert, die ich in den Prozess reinbringe. Es macht in meiner Denkwelt viel mehr Sinn, diese Milliarden an Mikroorganismen ins Arbeiten zu bringen, also zu vermehren. Dadurch habe ich einen viel größeren Hebel in Bezug auf die Ernährung meiner Pflanzen und auf die Strukturen im Boden.

Durch mineralischen Dünger erreiche ich zwar Pflanzenwachstum, aber das ist am Ende nicht die Pflanze, die im Wettbewerb um die Nährstoffdichte besteht. Zudem muss dieser Dünger immer zugekauft werden. Dafür muss er zum einen verfügbar sein, zum anderen müssen die Preise gezahlt werden, die in dem Moment aufgerufen werden. Stickstoff ist beispielsweise energiereich in seinem Herstellungsprozess. Er wird über den CO2-Preis wahrscheinlich auch sehr teuer werden. Phosphor als Ressource ist endlich.

Mineralischer Dünger ist abhängig von funktionierenden Lieferketten.
Genau! Ich mache mich also abhängig, ohne etwas zur Verbesserung meines Bodens beizutragen. Dadurch gerate ich im Wettbewerb mittel- bis langfristig ins Hintertreffen. Es gibt bereits jetzt gute Beispiele von Betrieben, die einen deutlichen Humusaufbau in ihren Feldern erreichen. Der Weg dahin ist betriebsabhängig. Niemand erwartet, dass man von heute auf morgen den Schalter umlegt. Es geht nur darum, eine absehbar falsche Entwicklung zu korrigieren. Wir müssen immer wieder von zwei Themen geleitet sein: Das ist zum ersten der Vergleich mit dem menschlichen Körper – was ist für uns wichtig? Wie lässt sich das in unser land- und forstwirtschaftliche Denken übertragen? Das zweite ist die permanente Stärkung und Überwachung des Bodenlebens und damit zusammenhängend auch der Austausch und die Kommunikation unter unseren Betrieben.

Wie sah dieser Weg für Dich aus?
Ich habe mein Berufsleben außerhalb der Landwirtschaft begonnen und zunächst Jura studiert. Das hat mich in eine andere Welt getragen, ich war unternehmerisch tätig mit dem Aufbau einer sehr erfolgreichen eigenen Firma. 2008 hatten wir die Möglichkeit, das Weingut aus der Familie meiner Frau Nana anzupachten. Das lag in der Zeit ziemlich am Boden. Da habe ich gedacht: Wie kriegt man guten Wein hin? Klar gibt es die Technik und einen guten Kellermeister, aber produzier erstmal eine anständige Traube. Und das war der Moment, an dem ich angefangen habe, mich mit dem Boden zu beschäftigen. Ich hatte einen Auszubildenden, der heute einer der großen Bodenfachleute in Deutschland ist, mit dem mich seitdem die Leidenschaft zum Boden verbindet. 2016 habe ich dann zusammen mit meiner Schwester Verena die Anteile von zwei Geschwistern im Wald übernommen. Da besteht die gleiche Fragestellung: Wie können wir den Boden für unsere Bäume stabil halten oder gar verbessern?

Ganz praktisch: Wie kann eine Umstellung zu mehr Bodengesundheit auf einem Betrieb aussehen, der gleichzeitig betriebswirtschaftlich bleiben muss?
Es muss einen Umstellungsprozess geben, der idealerweise finanziell unterstützt wird. Ein Beispiel dafür ist die Beteiligung an einem Humusaufbauprogramm durch private Finanzierung durch Zertifikate. Das setzen wir auf unserem Weingut und unseren Trüffelflächen um. Subventionen sind ebenfalls eine Option, aber sie müssen sauber verwendet und nachgewiesen werden. Bei erfolgreichem Humusaufbau erhalte ich etwa 300 Euro pro Hektar/Jahr durch den Verkauf von CO2 Zertifikaten. Das Problem besteht jedoch darin, dass der Humusaufbau zunächst geleistet werden muss, das Geld ist also nicht sofort verfügbar. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, zunächst Teilflächen anders zu bewirtschaften. Wenn man beispielsweise 500 Hektar Landwirtschaft betreibt, kann man vielleicht 50 Hektar für alternative Bewirtschaftungsweisen, Kooperationen oder Sonderprojekte nutzen. Auf diese Weise bin ich auch auf das Thema Trüffel als spezielle Agroforstmaßnahme in unserem Forstbetrieb gekommen.

Inwiefern verbessern Trüffel den Boden?
Der Trüffel ist zunächst einmal ein Pilz, und ein Baum kann nicht ohne einen Pilz leben. Es gibt keinen Baum, der ohne Pilz existieren kann; sie sind auf diese Symbiose angewiesen. Der Trüffelpilz hat den zusätzlichen Vorteil, dass, wenn er einen Fruchtkörper bildet (was ich noch in meinem Experiment nachweisen muss), ich diesen ernten und verkaufen kann. Der Trüffel ist gut bezahlt, wenn es mir gelingt, ihn wachsen zu lassen. Das bedeutet, dass ich auf einer eher kleinen Fläche einen hohen Ertrag erzielen kann. Das macht unseren Wald neben den bereits bestehenden Einkünften aus Windkraft zusätzlich finanziell robuster. Am Ende ist dieses Agroforstprojekt nicht nur wirtschaftlich vorteilhaft, sondern auch förderlich für das Klima und den Boden, da ich nichts tun darf, was das Wachstum des Trüffels beeinträchtigt.

Der Trüffel wurde von Anfang an mit der Pflanze zwangsvereint. Wenn die Pflanze zusammen mit dem Trüffel als Symbiont in einen Boden gelangt, in dem der Trüffel nicht heimisch ist, könnte die Pflanze theoretisch auch von anderen Pilzen übernommen werden, was zum Absterben des Trüffels führen würde. Daher ist es entscheidend, dass Pflanze und Trüffel in Einheit wachsen. Wenn ich mineralischen Dünger auf meine Bäume wie Eiche, Haselnuss oder Buche auftrage, könnte dies zwar zu einem Wachstumsschub der Pflanzen führen, aber es würde höchstwahrscheinlich auch dazu führen, dass Wurzelwachstum ohne die Beteiligung des Trüffels stattfindet. Der Trüffel würde dann vernachlässigt.

Wo hast Du Dir das notwendige Wissen hergeholt?
Im Wesentlichen über den Austausch mit anderen, entweder über persönliche Kontakte oder organisierte Vernetzungsmöglichkeiten und Seminare. Durch viel Zuhören, Mitmachen und Lesen ist ein großer Erfahrungsschatz gewachsen.

Im Bereich Forstwirtschaft habe ich mir einen Market Garden von etwa 200 Quadratmetern eingerichtet, ein Gewächshaus etabliert, Hühner angeschafft, mich mit Kompost beschäftigt und eine Biotoilette installiert. Auch habe ich einen Ofen zur Holzkohleproduktion erworben. In diesem kleinen Maßstab versuche ich, praktische Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln. Das Schöne daran ist, dass dies beim Gemüseanbau schnell möglich ist, es handelt sich um eine jährliche Erfahrung. Im Weinbau dauert der Erfahrungsprozess 10 Jahre, im Wald noch länger. Wenn ich dir meine Gemüseernte zeige, wirst du sagen „Ok, ich habe es verstanden.“

Bist du also zufrieden mit deinen Ergebnissen?
Ja, ich denke, das ist der richtige Weg – sich selbst ein kleines Versuchsfeld zu schaffen und Erfahrungen zu sammeln. Man sollte schon mal unter das Mikroskop geschaut, einen Boden begutachtet, einen Komposttee angesetzt haben. Wenn man sich einmal mit aerobem Kompostieren beschäftigt hat, bei dem Temperaturen von 60 – 70° C erreicht werden und durch thermische Prozesse Unkrautsamen vernichtet werden, hat man das Prinzip verstanden. Dann kann man sich auch größeren Themen stellen, für die es keine einfachen Lösungen gibt.

Dein Ansatz ist auch deswegen interessant, weil er verschiedene Ziele kombiniert: Die Bodenverbesserung schont Klima und Umwelt, hat aber einen konkreten Nutzen für den Betrieb.
Wenn wir darüber nachdenken, wie wir das Bodenleben maximieren können, haben wir schon vieles richtig gemacht. Klimaschutz und Ernährungssicherheit sind möglich, und mit Ernährungssicherheit meine ich nicht nur die Produktion von Nahrung, sondern auch die nährstoffreiche Ernährung, sodass wir die Nahrungsergänzungsindustrie überflüssig machen. Jeder muss seinen eigenen Weg finden und sich nicht davor scheuen, auch mal etwas auszuprobieren. Hier liegt unsere Stärke: Wir haben alle Freude daran, unser Eigentum zu verbessern, werthaltig zu gestalten, also ein Pareto-Optimum aus vielen Ansprüchen zu finden. Das kann durch Vorgaben nicht erreicht werden. Den Weg dahin muss jeder für seinen Betrieb selbst finden. Das Ziel: Wir müssen die Energie, die uns von der Sonne gegeben wird, höchstmöglich in Bioenergie umsetzen, und nicht in Wärme.

 

Das Interview ist im Magazin LAND 2/2023 vom Familienbetriebe Land und Forst e.V. erschienen.

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